BIM-Talk von ComputerWorks

Länder-übergreifender Erfahrungs-austausch

Im Rahmen des KickOff Events für Vector­works 2020 lud ComputerWorks ausgewählte Architekten und BIM­-Spezialisten aus Deutsch­land, Österreich und der Schweiz zur offenen Diskussion im Rahmen der „BIM­-Talks“ ein. Die Ergebnisse des konstruktiven Dialogs legen nahe: Wir sitzen alle in einem Boot und rudern (fast) in die gleiche Richtung.

BIM Talk: Experten-Runde mit 7 Architektinnen und Architekten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz
BIM Talk: Experten-Runde mit 7 Architektinnen und Architekten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz

Eigene Standards mit ähnlichen Zielen

In Deutschland geht der Bund bei BIM voran. Für seine Bauvorhaben wird die digitale Planungsmethode ab 2020 verbindlich – zunächst bei Infrastrukturprojekten. Doch wie weit ist BIM bei unseren Nachbarn etabliert? Stehen die Österreicher und Schweizer vor den gleichen Herausforderungen wie wir, liegen sie im Vergleich zurück – oder eher weiter vorn? Und was können wir von ihnen lernen, was sie von uns?

Diesen Fragen gingen wir im Rahmen der Neuvorstellung der BIM-Software Vectorworks 2020 auf den Grund. Architekten unter anderem aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren zum Software-Launch nach Binzen bei Lörrach gekommen. Somit lag es nahe, sie ebenfalls zu diesen Themen um eine persönliche Einschätzung zu bitten.

Die offene Diskussion zeigte, dass die Herausforderungen bei der BIM-Einführung in allen drei Ländern fast identisch sind.

„Verschiedene Länder haben andere Regeln. Aber die Probleme in der Planung sind überall die gleichen.“ – Burkard Illig, ARP ArchitektenPartnerschaft, Stuttgart (D)

Das grundlegende Verständnis sowie das Erkennen des Nutzens digitaler Planungsmethoden bei Bauherren und Investoren ist bisher unzureichend. Das bestätigten alle Teilnehmer für ihr Land.

„Ich glaube, es ist bei den Bauherren noch nicht ganz durchgedrungen, dass es sich um einen verbesserten Prozess des Zusammenarbeitens handelt.“ – Eduard Lepp, KBNK Architekten, Hamburg (D)

Die Aufgabe für die öffentliche Hand und die Politik muss also sein, BIM-basierte Projekte stärker zu fördern und neue Planungsmethoden einzufordern. Denn sie sollten mit gutem Beispiel vorangehen.

„Die Geschäftsführung lebt BIM vor. Nur so kann es funktionieren. Zukünftige Projekte werden nach der BIM-Methode geplant.“ – Tina Drahtler, Drahtler Architekten, Dortmund (D)

Von der PDF-Einreichung zum BIM-basierten Bauantrag

Hier gibt es bereits länderspezifische Pilotprojekte, die nun in der realen, breiten Anwendung umzusetzen sind. Jacqueline Tschida, Architektur und BIM-Trainerin aus Wien, verwies beispielsweise auf die Möglichkeit, den Bauantrag bei der Stadt Wien seit diesem Jahr digital einzureichen. Im nächsten Schritt setzt die Stadt Wien nun ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt auf, um den Nutzen und die technischen Anforderungen von BIM, KI und AR im Baubehördlichen Verfahren zu prüfen. Österreich hat darüber hinaus seit mehreren Jahren einen eigenen Merkmalsserver online, der die Standardisierung und Vereinheitlichung der Parameterstruktur einer BIM-Planung zum Ziel hat.

„Ich glaube, dass eine große Unsicherheit herrscht, wenn es darum geht, den Weg klar zu sehen. Wir müssen akzeptieren, dass es viele Wege gibt, die – je nach Projekt – eingeschlagen werden können und uns vermehrt den erfolgreichen Prozessen zuwenden.“ – Jacqueline Tschida, Architek- tur und BIM-Trainerin, Wien (AT)

Merkmalserver erfordern nationale Standards

Marc Pancera, Architekt und Leiter BIM bei IttenBrechbühl Schweiz sieht in der Definition der technischen Standards eine große Aufgabe der nächsten Jahre. Er betont außerdem: die klassischen Leistungsphasen, nach denen sehr vergleichbar in Deutschland Österreich und der Schweiz bisher gearbeitet wird, greifen bei BIM nicht. Vielmehr muss zukünftig in Modulen gedacht werden.

Marc Pancera: „Man sollte die Leistungsphasen einmal komplett vergessen und sich fragen: Welche Entscheidungsgrundlagen müssen erarbeitet werden und welche Informationen sind dafür in Modellen nötig, um meine BIM-Planung umzusetzen? Dann können diese Informationslieferungen zu Modulen zusammengefasst und auf der Zeitachse verteilt werden – Planung der Planung.“

Über diese pragmatische Denk- und Herangehensweise und die Optionen zur zeitnahen Implementierung der digitalen Planungsmethode herrschte allgemeiner Konsens in der Gruppe. Erklärtes Ziel in allen Ländern muss es sein, möglichst zügig eine maschinenlesbare Norm zu schaffen, die für Architekten, Fachplaner und Bauämter a) den BIM-Prozess konkret ausgestaltet und b) für die Bauämter eine schnelle und fehlerfreie Prüfung der Bauanträge ermöglicht.

„Die großen Auftraggeber springen sehr rasch auf den Zug auf. Und wünschen sich: ‚Einmal BIM, bitte!‘ Dies ist leider zu ungenau. Es bietet sich aber die unglaubliche Chance für alle, sich im Klaren darüber zu werden: Was bedeutet denn BIM für uns konkret?“ – Marc Pancera, IttenBrechbühl, Basel (CH)

Mehr als nur ein simples PDF

Der Status des „Digitalen Bauantrags“ ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz nahezu gleich: eine Einreichung in Form von PDF ist in verschiedenen Bundesländern und Kantonen bereits möglich. Aber: Die Wohnflächenberechnung beispielsweise muss bei einer PDF-Einreichung noch immer händisch überprüft werden. Direkt aus dem Planungsmodell gezogen, würden diese Zahlen in wenigen Sekunden vorliegen. Dafür müssten bestimmte Modellattribute, die Geometrie zum Beispiel, in eine Prüfsoftware beim Bauamt übergeben werden.

Tina Drahtler von Drahtler Architekten aus Dortmund, arbeitet mit den Partnern planen-bauen 4.0, der Ruhruniversität Bochum, dem Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Hamburg an der Festlegung von konkreten Modellierungs-Richtlinien und Prüfregeln, die sinnvoll für einen BIM-basierten Bauantrag sind. Dazu wird der ISO-Standard 16739 (IFC) mit anderen Standards wie GML oder INSPIRE verknüpft und anschließend getestet, wie vollständig der Informationstransport möglich ist. Drahtler Architekten unterstützen diese Betrachtung mit dem Projekt „Ocean 21“, einem Büroneubau, mit Planung und Realisierung. Das Facility Management wird das Gebäudemodell im Anschluss ebenfalls nutzen.

Tina Drahtler: „Das Projekt wurde auch ausgewählt, weil alle Fachplaner die BIM-Methode nutzen und es mit 10 Mio. EUR Bausumme nicht zu groß oder unüberschaubar ist, aber dennoch geometrisch anspruchsvoll. Am Projekt sollen Prüfregeln aufgestellt werden. Das mittelfristige Ziel ist es, eine Merkmalserver-Plattform zu errichten.“

Kollaboration ist unerlässlich

Ein erhellender Fakt, der im gut einstündigen Gespräch für einen längeren Diskurs sorgte: Fachplaner und Architekten kooperieren bisher viel zu selten. Das gilt gleichermaßen für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Eine kollaborative Arbeitsweise ist aber unerlässlich für einen zukünftigen Open BIM-Workflow.

„Wir machen die ersten, ernsthaften Schritte mit BIM. Unser Glück ist, mit einem Projekt direkt in der Ausführungsphase zu starten und sofort in einem kollaborativen Planerteam zu arbeiten.“ – Patricia Fischer, Staufer Hasler Architekten, Frauenfeld (CH)

Ohnehin herrschte Einigkeit darüber, dass in offenen Standards, in Open BIM, die Zukunft der Planung liegt.

Marc Pancera von IttenBrechbühl: „Das angenehme an dieser Runde ist: wir kommen aus verschiedenen Ländern. Wir arbeiten mit dem gleichen BIM-Planungswerkzeug, mit Vectorworks, und kennen dessen Anwendung. Dennoch: wir sind uns einig, über offene Standards mit unseren Partnern zu kommunizieren.“

Eine weitere, vertiefende Runde der erfolgreichen BIM-Talks ist bereits in Planung.

Lesen Sie hier den kompletten Bericht zum BIM-Talk: